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Der Bürgerrat

Gibt es in einer Gemeinde oder einem Landkreis ein Thema, das breit diskutiert wird und viele Menschen bewegt, kann ein Bürgerrat eine gute Methode sein, um die Frage gemeinsam von allen Seiten zu betrachten und zu einem guten Lösungsvorschlag zu kommen.

Für die Durchführung des Bürgerrates können über die Förderrichtlinie Bürgerbeteiligung Mittel beantragt werden. Bei der Beantragung der Förderung eines Bürgerrates müssen Antragstellende bestimmte Festlegungen treffen und Planungs- und Durchführungsschritte einhalten, um eine solide Basis für den Antrag und das Vorhaben selbst zu schaffen.

Die folgenden Ausführungen und Fragen dienen dafür als Orientierung und methodische Hilfestellung.  Bei weiteren Fragen erreichen Sie das Fachreferat unter der E-Mail-Adresse: frl-beteiligen@smj.justiz.sachsen.de.

Definition

Ein Bürgerrat ist ein Gremium, dessen Mitglieder per Losverfahren aus dem Melderegister ausgewählt werden. Um ein möglichst genaues, verkleinertes Abbild der Bevölkerung zu erhalten, gibt es verschiedene Losverfahren, die angewendet werden können. Diese werden im Abschnitt „Wie erfolgt die Auswahl der Teilnehmenden für den Bürgerrat?“ näher erläutert. Ziel eines Bürgerrates ist es, gemeinsam Vorschläge und Empfehlungen zu bestimmten Problemstellungen zu erarbeiten und diese anschließend demokratisch legitimierten Entscheidungsträgerinnen und -trägern – in Parlamenten, Stadt- und Gemeinderäten oder der Verwaltung – vorzulegen.

So kann die Vielfalt der Stimmen im demokratischen Prozess gewährleistet und die Qualität demokratischer Entscheidungen durch die Expertise der Bevölkerung erhöht werden.

In kleinen Gruppen arbeiten und diskutieren die Teilnehmenden zur vorgelegten Fragestellung. Diese Gruppendiskussionen finden in der Regel nicht-öffentlich und in einem geschützten Raum statt, um eine vertraute und ergebnisoffene Diskussion zu ermöglichen. Expertinnen und Experten stellen den Teilnehmenden das für die Diskussion notwendige Faktenwissen zur Verfügung. Moderatorinnen und Moderatoren unterstützen die Teilnehmenden bei ihrer Arbeit in den Arbeitsgruppen.

Am Ende des Bürgerrates stimmen alle Teilnehmenden gemeinsam über die erarbeiteten Empfehlungen ab und übergeben diese an die zu Beginn des Prozesses festgelegten Adressaten.

Weitere Informationen und Beispiele zum Thema Bürgerrat:

Mehr Demokratie e.V.

Bertelsmann Stiftung

Bürgerrat Forum Corona

Kommunale Entwicklungsbeiräte

Damit ein Bürgerrat gut gelingt, sollte dieser gut geplant werden. Es wird empfohlen, die im Folgenden benannten einzelnen Schritte abzuarbeiten:

1. Vorbereitung: Methodenauswahl, Konzeption, Themensuche, Bestimmung Zielgruppe/Adressaten, Antragstellung Fördermittel

2. Durchführung: Auswahl und Einladung Teilnehmende, Auftaktsitzung, Arbeit in Diskussionsgruppen, Zusammentragen der Ergebnisse, Abstimmung über Empfehlungen, Übergabe an Adressaten

3. Nachbereitung: Behandlung der Empfehlungen in den zuständigen Gremien, Kommunikation Ergebnisse an Teilnehmende und die Öffentlichkeit.

Vorbereitung und Konzeption

Einen Antrag auf Förderung eines Bürgerrats können Landkreise und Kommunen, aber auch zivilgesellschaftliche Institutionen stellen. Also alle, die im Rahmen der Förderrichtlinie Bürgerbeteiligung antragsberechtigt sind. Wichtig ist, dass zivilgesellschaftliche Institutionen eine Förderung nur dann erhalten, wenn diese im Antragsverfahren die Zusammenarbeit mit einer Kommune oder einem Landkreis nachweisen.

Die Antragstellenden müssen prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für einen datenschutzrechtlich unbedenklichen Zugriff auf die Meldedaten zur Auswahl der Teilnehmenden bestehen.

Falls diese nicht bestehen, müssen die Antragstellenden die rechtliche Grundlage schaffen, indem sie z.B. zuerst eine entsprechende Satzung nach § 4 (1) SächsGemO verabschieden. Hier kann entweder eine übergreifende Bürgerbeteiligungssatzung die Lösung sein, in der Bürgerbeteiligung zur öffentlichen Aufgabe erklärt wird und Fragen der Bürgerbeteiligung und der zugehörigen Verfahren in der Kommune grundsätzlich geregelt werden. Aber auch Projektsatzungen, die sich nur auf das aktuell geplante Verfahren beziehen, wurden von Kommunen nach Rücksprache mit ihren lokalen Datenschutzbeauftragten eingesetzt, um die Auswahl der Teilnehmenden rechtssicher durchführen zu können.

An erster Stelle steht die Situations- und Bedarfsanalyse, aufgrund derer die Entscheidung für die Methode fällt. Die Methode Bürgerrat eignet sich besonders für kontroverse Themen und Fragestellungen, die eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit erzeugen und viele Menschen bewegen. Das Thema muss dabei klar und zugespitzt formuliert sein.

Ein Bürgerrat kann über ganz unterschiedliche Zeiträume arbeiten. Die Zahl der Sitzungen hängt stark davon ab, wie groß und verzweigt das Thema ist, das der Rat bearbeiten soll. Da die Teilnehmenden sich in ihrer Freizeit im Bürgerrat engagieren, ist es wichtig, respektvoll mit ihrer Zeit umzugehen und das richtige Maß zu finden, um die Fragestellung umfassend bearbeiten zu können. Hier ist es sinnvoll, sich möglichst unterschiedliche, bereits umgesetzte Bürgerräte anzuschauen und ggf. beraten zu lassen.

Die Antragstellenden müssen sich fragen, welche Zielgruppen sie am Bürgerrat beteiligen möchten, um am Ende eine gute Antwort auf die gesetzte Fragestellung zu erhalten.

Je nach Fragestellung kann es notwendig sein, dass der Bürgerrat ein verkleinertes Abbild der Gesamtgesellschaft abbildet. Dafür werden die Teilnehmenden entsprechend der demographischen Zusammensetzung der Gemeinde ausgewählt. Andere Fragestellungen können auf Teilgruppen der Gesellschaft, beispielsweise Seniorinnen und Senioren oder Kinder und / oder Jugendliche, ausgelegt sein.

Es bedarf professioneller bzw. erfahrener Moderatorinnen und Moderatoren, die die Diskussionen strukturieren und zusammenfassen können und die sicherstellen, dass die Diskussionen in den Arbeitsgruppen auf Augenhöhe stattfinden.

Diese Moderatorinnen und Moderatoren kommen am besten von außen, um sicherzugehen, dass die Diskussionen vertraulich und unabhängig verlaufen.

Ebenso ist die Einbindung von Expertinnen und Experten zum Thema des Bürgerrates notwendig. Diese stellen das Faktenwissen zur Verfügung, das die Teilnehmenden benötigen, um am Ende ihre Empfehlungen formulieren zu können. Die Auswahl der Expertinnen und Experten können vom Bürgerrat selbst in seiner ersten Sitzung getroffen werden. Die Organisatoren können diesen Prozess unterstützen, indem sie eine Liste möglicher Fachleute vorbereiten. Diese sollten möglichst aus unterschiedlichen Feldern und über verschiedene Hintergründen verfügen, um die Breite der im Bürgerrat behandelten Kontroverse und verschiedene Perspektiven abzudecken.

Für den Fall, dass sich die Antragstellenden aufgrund ihrer personellen Kapazitäten oder fehlender Erfahrung nicht in der Lage sehen das Verfahren selbst zu planen, zu organisieren oder durchzuführen, kann ein Dienstleister mit der Gesamtorganisation des Prozesses beauftragt werden. Dieser übernimmt in Abstimmung mit der Verwaltung die Vorbereitung und Durchführung des Bürgerrates.

Sollte die Entscheidung für eine umfängliche Zusammenarbeit mit einem Dienstleister fallen, kann dieser die weiteren Schritte eigenständig oder in Kooperation mit dem Auftraggeber organisieren.

Die Kosten für den Dienstleister können in den Förderantrag aufgenommen und mit den anderen Projektkosten abgerechnet werden.

Mittlerweile gibt es eine Reihe von Dienstleistern auf dem Gebiet der Bürgerbeteiligung und auch speziell für die Methode Bürgerrat.

Mehr Demokratie e.V.  

Netzwerk Bürgerbeteiligung

Durchführung

Damit wirklich diejenigen angesprochen und erreicht werden, die erreicht werden sollen, können die Teilnehmenden in einem zweistufigen Verfahren ausgewählt werden.

Auf Grundlage der Entscheidung über die Zielgruppe wird aus den Meldedaten zufällig eine bestimmte Anzahl an Personen ausgewählt und angeschrieben. In der Regel antwortet nur eine kleine Anzahl der Angeschriebenen auf diese erste Einladung. Gesellschaftlich benachteiligte Menschen reagieren deutlich seltener auf Einladungen zur Beteiligung. Die Teilnahme am Bürgerrat ist natürlich freiwillig, die repräsentative Zusammensetzung der Gruppe aber wichtig. Deshalb wird, wenn die erste Los- und Einladungsrunde noch nicht erfolgreich war, noch einmal aus den noch fehlenden Gruppen nachgelost.

Erfolgversprechend für eine breite Beteiligung unterrepräsentierter Gruppen sind sogenannte aufsuchende Verfahren. Das bedeutet, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projektes zu all jenen gehen und klingeln, die nicht auf die Einladung reagiert haben. Sie fragen, warum keine Antwort erfolgte, werben für eine Teilnahme, beantworten evtl. offene Fragen. Natürlich kommunizieren sie auch deutlich, dass eine Teilnahme freiwillig ist und bei einer Absage keine weitere Kontaktaufnahme erfolgen wird und alle gespeicherten Daten gelöscht werden.

Dieser Auswahlprozess wird durch eine entsprechende kommunale Satzung ermöglicht. Gerade an dieser Stelle zeigt sich deutlich, warum es sinnvoll sein kann, mit einem Dienstleister zusammenzuarbeiten, der diesen Schritt organisiert und durchführt.

Die Einladung ist zugleich die Werbung dafür, sich am Bürgerrat zu beteiligen. Deshalb sollten an dieser Stelle einige Dinge ganz klar dargestellt werden.

Neben dem Ziel des Bürgerrates, dem Grund für seine Einberufung und der Fragestellung muss deutlich werden, was die Teilnehmenden erwartet, wenn sie sich beteiligen: Eine genaue Beschreibung des Verfahrens, Anzahl, Frequenz und Dauer der Treffen. Auch Angaben zu den Rahmenbedingungen dürfen nicht fehlen. 

Zentral ist es, die Reichweite und auch die Grenzen des Gremiums darzustellen: An wen werden am Ende die Ergebnisse der Beratungen übergeben? Der Bürgerrat ist kein Entscheidungsgremium, sondern wirkt beratend. Was können die Teilnehmenden im Anschluss an die Übergabe der Ergebnisse erwarten?

Die Einladung sollte aber auch grundsätzliche Informationen zur Methode erhalten: Was ist das, ein Bürgerrat? Wie funktioniert das, warum macht man das und warum sollte gerade ich mitmachen?

Für die erfolgreiche Durchführung des Bürgerrates ist es wichtig, dass es für diesen einen verlässlichen Rahmen gibt. Dafür muss allen Beteiligten klar kommuniziert werden, was das Ziel des Bürgerrates ist, wer die Adressaten der Ergebnisse sind und wie es mit den Ergebnissen nach Abschluss des Bürgerrates weitergeht. Außerdem müssen die Rahmenbedingungen des Bürgerrates müssen so gestaltet sein, dass eine Teilnahme grundsätzlich für alle möglich ist.

Dafür sollten die Antragstellenden u.a. folgende Fragen beantworten:

  • Sind die Räume, in denen die Treffen stattfinden werden, barrierefrei zugänglich?
  • Sind die Sitzungszeiten, -häufigkeiten und -dauer so gewählt, dass eine Teilnahme niedrigschwellig ermöglicht wird?
  • Stehen bei Bedarf Gebärdendolmetschung und/oder ein Induktionssystem für Hörgeräte zur Verfügung?
  • Sind alle Materialien, mit denen gearbeitet wird, allgemein verständlich und können ggf. auch in Einfacher Sprache und barrierefrei zur Verfügung gestellt werden?
  • Steht eine Kinderbetreuung zur Verfügung oder kann eine Unterstützung für die Bezahlung einer individuellen Betreuung von Angehörigen geleistet werden?
  • Wird eine Aufwandsentschädigung oder Ehrenamtspauschale und/oder Reisekostenerstattung ausgezahlt?
  • Steht ein Catering zur Verfügung?

Wichtig ist außerdem die Begleitkommunikation. Die Fragestellung, die der Bürgerrat bearbeitet und in der sie Empfehlungen erarbeitet ist eine, die viele Menschen interessiert. Die Sitzungen des Bürgerrates sind nicht öffentlich. Das bedeutet aber nicht, dass zu seiner Arbeit keine Öffentlichkeitsarbeit stattfinden kann.

Nachbereitung

Am Ende des Verfahrens stehen gemeinsam erarbeitete Ergebnisse. Empfehlenswert ist eine öffentlichkeitswirksame Übergabe der Ergebnisse an die Adressaten.

Dabei sollten die Auftraggeber noch einmal festhalten, wie es mit den Arbeitsergebnissen weitergeht, z.B.:

  • Wer sind die Adressaten und wie verarbeiten sie die Ergebnisse?
  • Werden die Teilnehmenden und die Öffentlichkeit über den weiteren Umgang mit den Ergebnissen informiert?
  • Werden die Arbeitsergebnisse und die Reaktion der Adressaten auf diese veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert?

Wichtig ist hier natürlich ganz besonders auch der Dank an alle Teilnehmenden, die viel Zeit und Energie in die Beteiligung am Bürgerrat gesteckt haben.

Zusammenfassung

1. Situations- und Bedarfsanalyse – Welches ist die richtige Beteiligungsmethode für die Situation und die zur Verfügung stehenden Ressourcen?

2. Entwicklung der Fragestellung

3. Zielgruppe: Teilnehmende und Adressaten

4. Zusammenarbeit mit einem Dienstleister

5. Zeitlicher Umfang: Wie lange und wie oft tagt der Bürgerrat?

6. Finanzielle Kompensation für die Teilnehmenden? (Aufwandsentschädigung / Ehrenamtsvergütung, Fahrtkosten)

7. Passende Räumlichkeiten

8. Kinderbetreuung / Betreuung Angehöriger

9. Catering

10. Begleitkommunikation: Wie wird die Öffentlichkeit laufend über die Arbeit des Bürgerrates informiert?

11. Art Dokumentation und Wege der Kommunikation der Ergebnisse

Ausgaben und Finanzierung

Die Antragstellenden können über die Förderrichtlinie Bürgerbeteiligung eine Förderung für die Personalkosten beantragen, die für das beantragte Projekt entstehen. Das gilt sowohl für neues Personal als auch für Mitarbeitende, die mit einem bestimmten Stundenanteil im Projekt eingesetzt werden. Ein Ziel der Förderung ist es, bei den Antragstellenden nachhaltig Kompetenzen im Bereich Bürgerbeteiligung aufzubauen. Deshalb ist es gut, auch kommunales Personal mit festen Stellenanteilen einzusetzen und das Vorhaben nicht nur durch einen externen Dienstleister planen und umsetzen zu lassen.

Die Beauftragung eines Dienstleisters (z.B. eines freien Büros für Konzeption, Moderation oder Gestaltung) ist selbstverständlich möglich und bei der Planung eines Bürgerrates auch ratsam.

Ausgaben für ein Dienstleistungsunternehmen müssen im Antrag so aufgeschlüsselt werden, dass das Stundenvolumen für einzelne Projektbausteine ebenso deutlich wird, wie der angesetzte Stunden- bzw. Tagessatz. Nur so kann der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit geprüft werden, der für die Zuwendungsfähigkeit ausschlaggebend ist.

Klassische Sachkosten sind z. B.

  • Ausgaben für Anschaffungen wie Technik
  • Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit u.a. auch Druckkosten
  • Ausgaben für einen Webauftritt
  • Veranstaltungsausgaben wie Raummiete, Catering, Technik u. a.
  • Honorare, Ehrenamtsentschädigungen, Fahrtkosten

Die Antragstellenden dürfen hier keine pauschalen Ausgaben ansetzen.

Beispiele

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